Springwater-Meditation
Ein Gruppengespräch im Retreat

Ein Gruppengespräch im Retreat

Hinweis

Dieses Gespräch ist ein Auszug (übersetzt von Sabine Bielfeldt) aus dem Gruppen-Gespräch, vom Tag 3 des Septemper-Retreats 2004 in Springwater. Das Gespräch wurde von D. Allen transkribiert und bearbeitet. Mit weiteren Überarbeitungen von Toni Packer wird es als 16-seitiges Heft unter dem Titel „A Retreat Dialog with Toni Packer“ angeboten.


Ein Gruppengespräch im Retreat

P:
Das erinnert mich an ein früheres Gespräch in einem Retreat. Da hattest Du, N, bemerkt dass, wenn man von jemandem angelächelt wird, der Lächelnde eine Art überwachende Haltung einnimmt. (Lachen) Mir geht es ähnlich und ich habe darauf geachtet. Ich meine, ich konnte sehen, wie es mir selbst auch so geht, wie wir uns so verhalten. Zum Beispiel, sich sorgen, ob meine Kleidung zu leuchtend ist, oder ob ich zu schnell gehe … oder ob meine Tischmanieren perfekt sind. Es ist hilfreich, wenn man sieht, dass das nur eine Phase ist.

E: Aber R, du hast etwas angedeutet … diese Neigung uns mit Gedanken zu verfolgen, mit denen wir uns selbst quälen.

R: Es ist wie … diese Regeln sind alle da, diese Erwartungen … und man befolgt sie anscheinend auch, um Liebe zu bekommen. Akzeptiert werden, dazu gehören, nicht verurteilt werden. Es ist eine Ironie, dass man sein Leben in dieser rigiden Welt der Bewertung verbringt – was eine Welt der Zurückweisung und Trennung ist – um geliebt zu werden. Das ist eine befremdliche Verdrehung.

Toni: W sagte heute Morgen, dass wir an der Trennung leiden und uns mit diesem Verhalten selbst isolieren, trennen. Mit diesen beurteilenden, unaufhörlichen Gedanken, die unser Gehirn produziert. Nun – was kann man tun? Schauen, schauen, schauen. Und mehr im Schauen sein, als in diesen trennenden Gedanken. All das kommt und geht, aber das Schauen kommt nicht auf dieselbe Art wie die Gedanken. Kann das Schauen anstelle von diesen absurden Gedankenkreisen den Raum einnehmen?

W: Wenn wir sie sehen zeigt sich, wie absurd sie sind.

R: Und nicht den Gedanken hinzufügen, dass wir diese Beurteilungen überwinden müssen. Das wäre nur eine neue Version der gleichen alten Geschichte.

Toni: Das sehen, ohne irgendetwas dazu zu tun. Einfach den Ventilator hören – nicht mit der Intention von „meditativer Praxis“, sondern einfach, weil er da ist. Das ist, auf was es hinausläuft: dass dieses hyperaktive, sorgenvolle, wollende Sein ersetzt wird durch Stille und Gewahrsein. Dass das eine einfach den Platz den anderen einnimmt. Auch nicht ein für alle Mal, sondern wieder und wieder, jedes Mal neu.

R: Kannst du etwas zu diesem Ersetzen sagen? Ich bin nicht sicher, ob ich verstanden habe, was du meinst.

Toni: Du hattest vorhin ein sehr gutes Beispiel: Du bemerkst, dass du an Regeln hängst, weil du geliebt werden möchtest. Oder du fühlst dich schuldig, wenn du merkst, dass du Regeln überschritten hast und bist immer in Sorge, ob du etwas falsch gemacht hast. Wenn dieses Muster gesehen wird, dann ist das Muster durch Sehen ersetzt. Es geht nicht darum etwas gegen das Muster zu tun, weil das wieder ein anderes Muster wäre. Die Offenheit von Wind, Atem, Gewahrsein, ein immer wieder frisches Ersetzen von Mustern durch das Nicht-Muster des Da-Seins, Schauens, Gewahrseins – welches Wort auch immer am besten passt. Aber es ist nicht ein Wort. Es ist die Abwesenheit von allen beurteilenden Mustern. Entweder feststecken in den Mustern oder das Feststecken durch Offenheit ersetzen. Das ist nicht Feststecken. Es erlaubt allem zu kommen und zu gehen. Es ist nicht starr. (Pause) Der Wunsch sich sicher zu fühlen – das kann auch ein Feststecken sein.

G: Und wenn man sich sicher fühlt, dann will man alles tun, um diese Sicherheit zu behalten.

Toni: Ja, behalten. Darin ist eine Annahme, die falsch sein könnte. Wenn Freiheit ist, dann ist kein Bedarf für diese gewohnheitsmäßige Sicherheit. Wir lieben Wiederholung. Und vielleicht können wir nicht ohne sie auskommen. Ich weiß es nicht. Ich finde, es ist eine Erleichterung, für einen Moment frei zu sein von diesen Mustern und Gewohnheiten und den Wind zu spüren, das Atmen, das Gehen. Ohne einen Plan.

J: Weißt du, „Ersetzen“ klingt ein bisschen wie: das eine nehmen und es durch das andere ersetzen. Aber wenn man mit etwas feststeckt kann es klar werden. Dass man nichts tun muss und dass nichts da ist, das ersetzt werden müsste.

Toni: Lass mich schauen. (Pause) Du steckst fest und du sagst „es kann klar werden“. Nun, was ist dieses „es“, das klar werden kann? Was ist das wirklich anderes als Gewahrsein.

J: Wenn es klar wird, dann kommt es ins Gewahrsein, aber ich ersetze nichts.

Toni: Nein, ich meinte es nicht so. Das ist die Gefahr von Worten. Da ist niemand, der ersetzt – kein Ersetzer.

J: Es klang so einfach, nur das eine – Feststecken – mit dem anderen – Offenheit – zu ersetzen.

Toni: Es ist einfach. Aber es ist niemand, der da etwas tut. Und die Worte sind unvollständig, unzureichend. Es ist nur … wo dieses Wünschen war – da ist nichts mehr da. An der Stelle ist Sehen, Gewahrsein, Hören und Fühlen. Wenn man es in Worte fasst, kann man sagen, dass ich das Eine durch das Andere ersetzt habe. Was nicht etwas beurteilt, was auch keine Zeit braucht, was einfach das sofortige, direkte Schauen ist.

J: Als du vor ein paar Minuten den Ventilator erwähnt hast, habe ich mich dabei erwischt, dass ich sehr in Gedanken verstrickt war. Dann hat es sich wieder geöffnet. Es passierte. Es war so klar, das es einfach passierte…

W: … und manchmal passiert es nicht, dass sich etwas öffnet: Es ist zu – zu – zu…

(Viel Lachen in der Gruppe)

Toni: Wie kannst du das wissen?

W: Es ist nicht immer. Manchmal passiert es. Auch das Verschlossen-Sein.

R: Ich bin immer noch an diesem Begriff des Ersetzens … es fühlt sich an wie … vielleicht sagen wir das Gleiche auf unterschiedliche Weise … wenn sich Selbstkritik und Beurteilung einstellen und Furcht und Anhaften aufsteigen … und dann in einem Raum von Gewahrsein etwas, das Wohlwollen, Liebe aufbringt, wahrgenommen wird – einfach diese offene Grenzenlosigkeit darin. Und das Beurteilen und Anhaften aufhören in der gleichen Weise zu wirken. So etwas packt den Körper nicht so und überwältigt nicht so. Es sinkt ab und die Weiträumigkeit, die immer da war, bleibt übrig.

Toni: Können wir dem Aufmerksamkeit geben? Geräumiges Gewahrsein?

R: Ja, es ist das gleiche.

Toni: Das gleiche unbeschreibliche…

R: … schwache Worte, irgendwie.

Toni: Ja. Was versuchen wir zu klären? Wir versuchen nicht zu klären, ob da jemand ist, der etwas tut, weil das ist klar. Stimmt’s? Da ist niemand, der etwas tut bei diesen Dingen. Da ist nur Gewahrsein. Und Gewahrsein hat dieses magische, dass etwas, das wirklich gewahr wird, sich verändert und nicht mehr das Gleiche ist. Kann man also sagen: „Ich bin gewahr, aber die Angst ist immer noch da.“ Was ist dann noch da? Da sind immer noch Gedanken, die die Angst aufrechterhalten oder neue Angst hinzufügen, weil ohne Gedanken, Erinnerungen – sowohl mental als auch physisch – ist da keine Angst. Wenn keine Trennung ist, ist keine Angst.

R, stimmen wie so weit überein, oder…

R: Ja, ich glaube. Ich habe es in anderen Worten gesagt, aber es klingt, als ob wir das Selbe beschreiben.

Toni: Da ist kein Unterschied. Wenn wir beide zur gleichen Zeit das gleiche anschauen, dann spielen Worte keine große Rolle. Manche Worte helfen einigen Leuten mehr als anderen. Und sie können auch fehlleiten, zum Beispiel etwas romantisieren.

N: Noch dazu … Ich erinnere mich, Toni, dass du einmal darüber gesprochen hast, wenn es beginnt, dass man Angst schaut, dass man dann einfach nicht mitgeht, weil da so viel Raum ist. Da kann etwas sein, das eigentlich dich packen würde, etwas, dem man schnell anhaftet, das wächst und den Raum füllt – aber du gehst einfach nicht mit. Wie die Wasseroberfläche am Teich sich gleich wieder glättet, nachdem sie von einem Windstoß ein wenig aufgewirbelt wurde. Die Umgebung hier im Retreat, in Springwater, hat so wenige Stimuli, dass man diese Dinge einfach aufsteigen sehen kann und dem diesmal nicht folgt. Oder man sieht das Aufsteigen und wie man mitgeht – lieber mitgeht als dass man aufwacht – wenn man erstmal mitgegangen ist.

Toni: Ja. Es aufsteigen sehen, und damit mitgehen, und da ist immer noch genug Energie, dem nicht zu folgen, weil gesehen wird, dass es sinnlos ist.

G: Ich glaube, wie schnell wir sehen, dass etwas aufsteigt hängt davon ab, wie stark die Konditionierung ist. Wenn sie sehr stark ist, braucht es mehr Raum, es zu sehen. Wenn die Konditionierung, mit Angst zu reagieren sehr stark ist, kann es sein, dass man etwas von der Konditionierung sieht, aber dass es immer noch abläuft. Da ist Raum, aber die Konditionierung ist sehr dominant – verstehst du? Es braucht Zeit, dieses Da-Sein zu etablieren, die Energie, hier zu bleiben.

Toni: Die Energie hier zu sein muss stärker sein als die Energie von Angst, Ärger, oder was immer die Reaktion ist.

G: Ja, genau.

Toni: Und die Energie von Ärger ist gemischt mit allen möglichen Zutaten, einschließlich dem Vergnügen ärgerlich zu sein. Ich bringe das als Beispiel, aber es sind so Dinge dabei wie: Man will ärgerlich sein, man hat das Recht ärgerlich zu sein, die andere Person verdient es an den Ergüssen unseres Geistes teilzuhaben – unseres wundervollen Geistes … (engl: – our beautiful mind…eine Anspielung auf den Film „A beautiful mind“ mit Russell Crowe)

(Großes Gelächter in der Gruppe)