Springwater-Meditation
Meditation in Zeiten von Corona

Meditation in Zeiten von Corona

Mai 2021

Liebe Freunde,
jetzt ist schon mehr als ein Jahr vergangen, und wir leben immer noch in einer nie dagewesenen Krise. Die Corona Pandemie nimmt uns wahrhaftig in zweierlei Hinsicht den Atem. Sie überflutet die Intensivstationen in unseren Krankenhäusern mit Menschen, die keine Luft bekommen und künstlich beatmet werden müssen. Atemberaubend ist aber auch die Geschwindigkeit mit der sich die Pandemie über die Welt ausgebreitet und unser aller Leben auf den Kopf gestellt hat.
Erstaunlich ist nur, dass sich das alles inzwischen recht normal anfühlt. Begrüßungen mit 2 m Abstand ohne uns die Hand zu geben, geschweige denn uns zu umarmen, sind inzwischen völlig normal. Es gehört plötzlich zum Alltag, mit einer Maske im Gesicht, vor einem Laden in der Warteschlange im Regen zu stehen. Auch, dass wir bestimmte Geschäfte gar nicht erst betreten dürfen, wenn wir nicht einen negativen Corona-Test vorweisen können, ist schon Alltag geworden.
Nichts dergleichen, konnten wir uns vor etwas mehr als einem Jahr auch nur vorstellen, und jetzt ist es geradezu gespenstisch normal.
Lasst uns in dieser neuen Normalität nicht vergessen, was für eine menschliche Katastrophe uns heimgesucht hat. Während ich diese Zeilen schreibe, haben sich bereits über 160 Millionen Menschen mit dem Corona Virus angesteckt und mehr als 3 Millionen sind daran gestorben. In den reichen Ländern werden die angelaufenen Impf-Kampagnen das Virus wohl nun bald stoppen. Aber in den ärmeren Ländern müssen Milliarden Menschen sicherlich noch sehr lange auf eine Schutzimpfung warten. Sehr viele werden noch leiden und sterben, bis diese Pandemie wirklich zu Ende ist.
Wie hat sich das alles auf unsere Meditations-Arbeit ausgewirkt?
Erstaunlicherweise ist der Einfluss der Pandemie weniger dramatisch als ich erst erwartet hatte. Ja unsere persönlichen Treffen in Meditationsgruppen und Retreats sind nahezu zum Erliegen gekommen. Wir alle sehnen uns nach gemeinsamer Meditation, danach uns einfach wieder in einem Raum treffen zu können und gemeinsam zu meditieren.
Das geht leider immer noch nicht, aber wir haben Wege gefunden, mit der Situation umzugehen. Wir haben entdeckt, dass kleine bewegte Bilder auf dem Computer und verzerrte, verzögerte Sprache, trotz aller Unzulänglichkeiten, einen brauchbaren Ersatz darstellen. Vor einem Jahr hätte ich das noch nicht geglaubt, aber ja, es ist möglich in einer Videokonferenz gemeinsam zu meditieren. Es stellt sich nicht nur ein Gefühl von Gemeinschaft ein, es ist auch eine verbindliche und herzliche Kommunikation möglich.
Im letzten Juni habe ich mein erstes virtuelles Retreat abgehalten, das vom Springwater Center organisiert wurde. Das gestaltete sich zu einer sehr positiven Erfahrung. Zunächst war ich sehr skeptisch. Eine Meditationswoche mit Teilnehmern, die alle bei sich zu Hause sitzen und nur über Computer und Smartphones miteinander kommunizieren können, hielt ich für wirklich herausfordernd. Alle meine Sorgen stellten sich aber als unnötig heraus. Ich saß allein zu Hause, sprach in mein Mikrofon und war erstaunt, was für ein tiefer und herzlicher Kontakt sich mit den Teilnehmern einstellte. Selbst ein Computerabsturz mitten in einem meiner Vorträge war kein Problem. Es war eine Unterbrechung, die alle für ganz normal hielten. Anscheinend fühlte sich niemand gestört. Alle warteten geduldig, bis ich auf dem Computerschirm wieder auftauchte, und der Vortrag lief weiter, als wäre nichts gewesen.
Ist es nicht erstaunlich? Menschen können wunderbar in Kontakt kommen, selbst wenn die Kommunikation nur sehr spärlich über einen Computer fließt.
Auch die Gruppengespräche waren für mich eine positive Überraschung. Eine technische Notwendigkeit in Videokonferenzen ist, dass nur eine Person zur Zeit spricht. Ansonsten kann man nichts mehr verstehen. Nun ist es gerade das Wesen eines Gruppengespräches, dass das Zuhören im Vordergrund steht und immer nur einer spricht. Die Beschränkungen der Videokonferenz waren also nicht störend, sondern für das Gruppengespräch hilfreich, und es entfalteten sich sehr gute Gespräche.
Toni Parker hat einmal gesagt, dass Gewahrsein überall möglich ist. Das trifft auch für Videokonferenzen zu. Viele Teilnehmer haben mir das bestätigt.
Auch in diesem Frühjahr und Sommer werden mein Retreats in Springwater und Polen wieder virtuell durchgeführt werden. Das Retreat in Polen kann auch nur als Wochenend-Retreat stattfinden.
Aber ich bin guter Dinge und sehe das nicht nur als eine Einschränkung, sondern auch als eine Möglichkeit, etwas Neues und Anderes kennen zu lernen.
Ich hoffe viele von euch, neu oder erfahren in online Retreats, werdet dieses Angebot annehmen. Es ist wirklich eine andere Form des Retreats, keine bloße Notlösung. Ich für mich habe zumindest gelernt, dass ein Retreat in Form einer Videokonferenz, sehr bereichernd sein kann.
Das Retreat in Deutschland im August soll aber, wie im letzten Jahr, live in Finkenwerder bei Schwerin stattfinden. Wir haben alle Einzelzimmer und einen sehr großen Meditationsraum, bei dem wir die großen Türen nach draußen zur Veranda öffnen können. Es wird warm sein und wir können auch im Garten sitzen. Ich hoffe auch, die meisten Teilnehmer werden dann schon geimpft sein.
Wie wird es wohl im nächsten Jahr weitergehen? Es sieht so aus, als gebe es Licht am Ende des Tunnels. Das impfen schreitet voran, zumindest in Europa und Nordamerika. Entsprechend bin ich hoffnungsvoll, dass wir im nächsten Jahr alle wieder reisen und uns persönlich treffen können.
Auch wenn Meditation per Videokonferenz viel besser funktioniert als gedacht, ich freue mich doch sehr, euch alle bald wieder persönlich treffen und umarmen zu können.

Stephan Bielfeldt